„Meilensteine“ der Worpsweder Geschichte

 

Ur- und Frühgeschichte: Von Eiszeit + Bronzezeit zum Weyerberg und dem Riesen „Hüklüt“.

Am Anfang steht Worpswedes Weyerberg: entstanden am Ende der letzten Eiszeit vor ca. 12.000 Jahren. Umspült von Schmelzwasser bleibt eine Insel aus Sand, Lehm, Ton und Quellen – die einzig nennenswerte Erhebung der Region (heute 54,4 m). Um 1100 v. Chr. nutzen Jäger und Fischer die exponierte Lage. Die Namensgebung wird zumeist so gedeutet, dass aus „Worps“ (Hügel) und „Wede“ (Wald) „Worpswede“ (Hügelwald) wurde. Nach alter Volkssage wurde der Weyerberg vom Riesen „Hüklüt“ geschaffen. Ins Teufelsmoor gelockt, warf er Sand nach seinem Widersacher; „Hüklüt“ versank und der Sand wehte dorthin, wo der Weyerberg (weihen = wehen) steht.

 

1218 – Mittelalter: „Worpensweede“ wird erstmals erwähnt

„Worpensweede“ wird erstmals 1218 in einer Schenkungsurkunde erwähnt: Erzbischof Gerhard I von Bremen überlässt vier der acht Hofstellen samt Zehntabgaben dem Kloster Osterholz (gegr. 1182). Eine Zeitlang ist das Dorf auf zwei Herzogsfamilien aufgeteilt (Welfen und Askanier).

Die Lage der kreisförmig angeordneten Hofstellen am Hang des Weyerberges hat man bewusst gewählt: Quellen liefern frisches Wasser, sandige Böden erlauben Ackerbau, den das Moor nicht zulässt, und die Distanz zum Hamme-Fluss, der als Fisch-Lieferant und Verkehrsader dient, ist groß genug, um vor Hochwasser geschützt zu sein. Insellage und geistliche Grundherrschaft, die ab 1550 lutherisch ist, bieten relativen Schutz vor Fehden und Plünderung. Bis zur Auflösung des Klosters (Mitte 17. Jh.) kann die Dorfgemeinschaft friedlich leben und wirtschaften.

Um 1650 – Im Zeichen der Krone: Langräfin Eleonore und der „tolle Fritz“ bauen – beinah – ein Jagdschloss.
Während des Dreißigjährigen Krieges erlebt Worpswede verschiedene Besetzungen. Unter schwedischer Hoheit wird 1650 das Kloster Osterholz aufgehoben und geht als Amtssitz samt Worpswede an den Landgrafen Friedrich von Hessen-Eschwege (1617-1655), der in schwedischen Diensten ist. Mit seiner Frau Eleonore Katharina (1626-1692), deren Bruder der schwedische König Karl X. Gustav ist, plant er in Worpswede ein Jagdschloss. Sein plötzlicher Tod zwingt die Witwe, die Baustelle aufzugeben. Sie residiert bescheiden in Osterholz und kümmert sich um soziale Belange.

 

Um 1750 – Rollenwechsel: Moorkolonisation unter Jürgen Christian Findorff.

Bis ins 18. Jh. gilt das Teufelsmoor als unbesiedelt. Ab 1750 ändert sich Worpswedes Bedeutung schlagartig: Jürgen Christian Findorff (1720-1792) beginnt, auf Anordnung von Georg II. von England und Churfürst von Hannover, das Moor urbar und nutzbar zu machen. Gräben und Kanäle werden gezogen, Siedlungen entstehen und Worpswede wird  zum Unterzentrum. Das Leben ist hart. Es gilt der plattdeutsche Spruch: „Den Ersten de Dod, den Tweten de Nod, den Dritten dat Brod.“ Torfabbau ist mühsam. „Jan von Moor“ – wie man den Torfschiffer nennt – ist tagelang nach Bremen unterwegs, wo er seine Fuhre als Brennmaterial verkauft. 1759 wird die Zionskirche eingeweiht; sie markiert den Höhepunkt der Moorkolonisation. Endlich hat Worpswede die eigene Kirche und man muss zum Gottesdienst nicht mehr nach Scharmbeck marschieren.

 

1889 – Ein ganz besonderer Sommer: Die Stunde Null für die Künstlerkolonie.

Der junge Kunststudent Fritz Mackensen (1866-1953) besucht Worpswede auf Einladung der Kaufmannstochter Mimi Stolte. 1889 verlebt er den Sommer hier mit den Studienfreunden Otto Modersohn (1865-1943) und Hans am Ende (1864-1918). Nach dem Vorbild der ersten Künstlerkolonie (Barbizon bei Paris, ab 1830) arbeiten sie unter freiem Himmel und im Herbst beschließen sie zu bleiben. Fritz Overbeck (1869-1909) und Heinrich Vogeler (1872-1942) schließen sich an: das Künstlerdorf ist geboren.

Mit der Ausstellung in München folgt 1895 der künstlerische Durchbruch. Der Grundstein für den Mythos Worpswede ist gelegt. Heute ist Worpswede die einzige bis in die Gegenwart durchgehend lebendige Künstlerkolonie Europas.

 

1933-1945  – Nationalsozialismus und Krieg: Leben zwischen Angst und Schuld.

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg Krieg verwandeln die Dorf- und Künstlergemeinschaft in Täter, Mitläufer und Opfer. Künstler werden Mitglied der NSDAP und der Reichskulturkammer, um Ausstellungs- und Berufsverbot  zu entgehen. Prominentestes Parteimitglied ist der Mitbegründer der Künstlerkolonie Fritz Mackensen. Kunstwerke werden als „entartet“ beschlagnahmt und aus Museen entfernt. Dazu zählen u.a. Bilder von Paula Modersohn-Becker, die heute als Worpswedes berühmteste Malerin gilt.

Nach Jahrzehnten des Schweigens greifen Ende der 1980er Jahre erste Publikationen die nationalsozialistische Vergangenheit Worpswedes auf. Seit 2014 engagieren sich die Gemeinde und lokale Institutionen – wie die Stiftung Worpswede und die Heinrich-Vogeler-Gesellschaft – für eine sachgerechte Aufarbeitung. Der 2017 gegründete Heimatverein hat eine Projektgruppe eingerichtet. Als Auftakt sind die Recherchen und Dokumentationen zum Schicksal der Jüdin Rosa Abraham zu verstehen, der stellvertretend für andere Verfolgte und Opfer des Regimes eine Gedenk-Stele und ein Platz gewidmet wurde.

 

Ab 1974 – Weichenstellungen für die Zukunft:

Einheitsgemeinde und staatlich anerkannter Erholungsort.

Infolge der Gebietsreform wird Worpswede 1974 Einheitsgemeinde und außerdem staatlich anerkannter Erholungsort. Hüttenbusch, Mevenstedt, Ostersode, Neu Sankt Jürgen, Schlußdorf, Überhamm und Waakhausen schließen sich mit Worpswede zusammen.

 

1989 feiert der Ort sein 100-jähriges Jubiläum als lebendige Künstlerkolonie mit rund 140 ansässigen Künstlern und Kunsthandwerkern inmitten einer einzigartigen Naturlandschaft. Worpswede profiliert sich als kulturtouristische Destination und beliebter Wohnort im Bremer Umland. Die kulturellen Angebote entsprechen dem, was man in Städten erwartet. Aktuell verzeichnet der Ort ca. 250.000 Tages – und rund 50.000 Übernachtungen. Die Gastronomie mit regionaltypischer, internationaler und gehobener Küche wird von Gästen und Einheimischen genauso geschätzt wie der bunte Mix aus Galerien und Geschäften.

Mit Gründung des Worpsweder Museumsverbundes und Umgestaltung der Bergstraße hat sich Worpswede 2012 bewusst neu aufgestellt. Aktuell werden unter breiter Bürgerbeteiligung Fragen der Ortsentwicklung zu

„Worpswede 2030″ diskutiert, um im Jubiläumsjahr 2018 ein wichtiges Zeichen für die Zukunft zu setzen.